Kurzgeschichte des Waischenfelder Heimatvereins
WAISCHENFELD. Urlaubszeit, Ferienzeit, Reisezeit, schönste Jahreszeit des Jahres. Alles (im eigentlichen Sinne) Begriffe für die Fortbewegung des Menschen von a nach b. Aus dieser ursächlichen „Tätigkeit”, der „Bewegung” zwischen Wohn- und Arbeitsplatz entstand im Laufe der Zeit einer der erfolgreichsten Wirtschaftszweige weltweit. Zweistellige Milliardenbeträge werden mittlerweile jährlich in dieser „Branche” umgesetzt. Ein kleines Stückchen von diesem „Geld-Kuchen” hat sich auch die Fremdenverkehrsgemeinde Waischenfeld abgeschnitten, indem sie vor über 100 Jahren einen „Verschönerungsverein” ins Leben rief. |
Der „Fremdenverkehr” begann in der Fränkischen Schweiz offiziell mit der literarischen „Pfingstreise” der beiden Erlanger Studenten Wackenroder und Tieck im Jahre 1793. Deren Reiseberichte lockten in den folgenden Jahren zahlreiche Prominente und reiche „Gäste” in die „Fränkische". Zuerst bestaunten sie die wundersame, erstmals wissenschaftlich beachtete Höhlenwelt. Dann, im Zuge der „romantischen” Zeitepoche, der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts „entdeckten” bekannte Persönlichkeiten wie der Maler Ludwig Richter oder der Schriftsteller Victor von Scheffel die von Burgen und Ruinen übersäte natürliche Landschaft und ihre Bewohner. Mit ihren in Bild und Schrift festgehaltenen Erlebnissen begründeten sie den eigentlichen „Tourismus” und lockten die „Städter” aus dem Großraum Nürnberg damit an.
Zu der Zeit betrieb man „Fremdenverkehr” im eigentlichen Wortsinn. Das heißt, Gäste waren geduldet und willkommen als zahlungskräftige Kunden. Besondere Fürsorge gewährte man den „Fremden” nicht. Diese mussten selber schauen, wie sie in der unbekannten Gegend zurecht kamen; mit der Sprache, mit den Gewohnheiten der Einheimischen, mit der Geographie. Daher entstanden schon in jener Zeit die ersten gedruckten „Reiseführer” für die Fränkische Schweiz. Der Höhlenführer „Wunder” aus Muggendorf gilt als erster „Reiseleiter”. Er „führte” schon 1798 Ernst Moritz Arndt durch die Fränkische Schweiz und erwarb sich mit seinen heimatkundlichem Wissen ein kleines Vermögen.
Der offizielle Fremdenverkehr in Waischenfeld begann 1885 mit der Aufstellung „schmiedeeiserner Bänke” und der Installation von 15 Wegweisern im „Buchberg”, einem Waldhang zwischen der Vorstadt und der Hammermühle. Warum Pfarrer Fugmann, zusammen mit Bürgermeister Hofmann (Posthalter), Apotheker Böhe und den Lehrern Spörlein und Pflaum den Verein mit 43 weiteren Bürgern gründeten, ist nicht bekannt.
Was aber mit den zwei Mark Jahresbeitrag geschah, ist in einigen Protokollen festgehalten. Der „Buchberg” wurde damit innerhalb acht Jahren „hergerichtet”, dass heißt: der Weg zum „Kreuz” wurde planiert, weitere Bänke (bis 1892 zehn Stück) und zwei „Paraplouis” (aus dem französischen und heißt „Regenschirm”) aufgestellt; ein zweiter „Wanderweg” von der Hammermühle zur Pulvermühle über die „Galgenleite” angelegt. Schon 1893 regte die Vereinsversammlung den Bau eines „Badehäuschens” an, es dauerte aber noch 40 Jahre, bis diese Vorhaben verwirklicht werden konnte. Trotzdem, der Verein wuchs und nahm an wirtschaftlicher Bedeutung zu.
Von 1927 sind die ersten „Fremdenstatistiken” bekannt. Demnach hatte Waischenfeld damals 1042 Gäste mit 1641 Übernachtungen. 1928 wurde der „Harlethstein” als weitere „Partie” für Gäste zugänglich gemacht, weil man von hier aus „so recht die Reize des malerisch gelegenen Städtchens” genießen konnte. 1928 gründete sich ein „Verein Waischenfelder in Nürnberg”, der ein Jahr später dem Verschönerungsverein beitrat. Im gleichen Jahr, 1929, stellte der Verschönerungsverein eine Ernst – Moritz –Arndt - Gedenktafel auf der „Eybisch- Höh” auf. Sie erinnert bis heute an dessen Besuch Waischenfelds im Sommer 1798. 1934 wurde die erste „Badeanstalt” eingeweiht, im gleichen Jahr hatte Waischenfeld 1401 Gäste mit 6458 Übernachtungen. Damit enden die Aufzeichnungen des Vereins während der Nazizeit.
Im Mai 1948 gründete sich der Verschönerungsverein erneut mit 38 Mitgliedern. Im gleichen Jahr trat er als „Ortsgruppe Waischenfeld„ dem Fränkischen Schweiz - Verein bei, dessen damaliger Hauptvorsitzender der „Pulvermüller” Johann Bezold war. Als Hauptmotor der Wiedergründung entpuppte sich der Obsthändler Karl Herzing. Auf seine Initiative hin wurde der Verein wieder ins Leben gerufen., Er führte den Verein als Vorsitzender bis 1975 und trug damit wesentlich zu dessen Erfolg bei. 1956 „entdeckte” das Berliner Reisebüro „Napirala” Waischenfeld als Urlaubsziel. Zwei Jahre später wurde mit einer „Osterfeier” in der Pulvermühle am Karsamstag ein markanter Fels nach dem gleichnamigen Reisebüroleiter benannt und der Waischenfelder „Verkehrsverein” gegründet. Das vereinseigene „Reisebüro” leitete die ersten beiden Jahre Baptist Braun, nach seinem Wegzug übernahm es 1958 Josef Grimm. Der Verein leitete in Eigenregie das von den Nazis erbaute Schwimmbad und führte es neun Jahre lang. 1971 wurde das Reisebüro wegen Unrentabilität aufgelöst, es ging über in die Verantwortung der Gemeinde. Seither gibt es in Waischenfeld ein „Verkehrsamt„.
Während dieser Zeit hatte das Städtchen seinen ersten touristischen Höhepunkt. Die Burgruine wurde zum „Haus des Gastes” umgebaut und saniert, der „Steinerne Beutel” samt Pfarrkirche beleuchtet. Neben Napirala wird Waischenfeld nun auch von „Strier-Reisen” aus Ibbenbüren regelmäßig mit Busgruppen versorgt und die Niederländer entdecken Waischenfeld als lohnendes „Camper-Paradies”. 1972 gründeten sich die „Waischenfelder Burgamdla”. Sie trugen mit ihren Auftritten wesentlich zum Bekannt werden des kleinen Wiesentstädtchens bei. 1973, nach dem Tode Grimms stellte die Gemeinde Rudolf Kellermann als Verkehrsamtsleiter ein. In diesem Jahr hatte Waischenfeld bereits 53000 Übernachtungen. 1987, als Anton Sponsel das Verkehrsamt übernahm, verbuchte Waischenfeld bereits 69000 Übernachtungen. Er konnte diese Zahlen bis zu seinem Ausscheiden 1997 auf 79000 Übernachtungen steigern.
Nachfolger Herzings im Amt des Vereinsvorsitzenden ist Georg Feder (1976-2000). In seine Amtszeit fällt vor allem die Einrichtung des ersten „Behindertenwanderweges” der Fränkischen Schweiz, zwischen der Hammermühle und Rabeneck. Er wurde am 8. April 1984 feierlich seiner Bestimmung übergeben.
Seither ist viel Wasser die Wiesent hinunter gelaufen. Der Tourismus stagniert, nicht nur in Waischenfeld, sondern überall in Deutschland. Es wird immer schwieriger die Gäste auch in die „Fränkische„ zu „locken”, obwohl die Landschaft noch die gleichen Reize bietet wie vor 100 Jahren. Ein „Naturpark” ist aus der Region geworden, über 1000 Höhlen sind mittlerweile im „Muggendorfer Gebürg” entdeckt, die zahlreichen Burgen und Ruinen „bewachen” wie eh und je die Reisenden drunten in den mäandernden Tälern. Woran liegt es also? Vielleicht daran, dass sich die Zeiten, wie auch die Menschen, geändert haben. Damals war es ausreichend Bänke aufzustellen und Wanderwege anzulegen. Heute sind die Ansprüche der Gäste andere. Das merken wir an uns selbst, wenn wir „in Urlaub gehen” und damit zum „Touristen” avancieren. Beobachten wir dabei unser eigenes Verhalten in der ungewohnten Umgebung werden wir schnell feststellen, worauf der Gast auch bei uns Wert legt.
Reinhard Löwisch