Dach, Traufe, Ortgang

( Dipl.-Ing. Arch. (FH) Lorenz Bieger )

Alte Zeichnungen, Stiche, Fotos beweisen: die Silhouette der Ortschaften in der Fränkischen Schweiz wird von der steilen Form des Daches geprägt. Für das Erscheinungsbild eines Hauses ist neben der rechteckigen, gerichteten Grundform entscheidend, wie das Dach auf dem Gebäude sitzt. Klug lösten unsere Vorfahren die Probleme des Klimas, wie Regen, Frost-Tauwechsel, durch die Neigung und durch das Material zur Eindeckung des Daches. Srabilität und Lastabtragung bildeten im Sparrendach eine saubere, konstruktive Lösung.

Genial und ästhetisch perfekt wurde mit der Traufausbildung der schwierige Übergang von der Wand zum Dach bewältigt.

Beim Betrachten des Grundschemas, dem Dreieck - der Urform des Daches, kann man mit Phantasie die Entwicklung nachvollziehen: von der Laubhütte aus der Vorzeit über die Zeltkonstruktionen der Nomaden zur Hütte der Kelten und Germanen mit Lehm-Stakenwänden, offenem Rofendachraum und Strohdeckung. Ein wirksamer Schutz für das Überleben schuf Geborgenheit und Obdach. Sprichwörter im Zusammenhang mit „Dach“, „Decke“, „bedeckt“ und „behütet sein“ haben hier ihren Ursprung. Erst wenn man alles „unter Dach und Fach“ hatte, konnte man zufrieden sein. „Obdachlos“ - nur diese eine Wort drückt sachlich eine Katastrophe für den Menschen aus.

Die Dachfußausbildung war das logische Ergebnis des Sparrendachs. Vorholz und Aufschiebling erzwangen die Trauf- bzw. Gesimsausbildung, d. h. gleichzeitiger Schutz der Konstruktion und beschwingte Linien - Harmonie von Funktion, Gestaltung, Konstruktion - unerreichte, langlebige Qualität.

Gestalterische Vielfalt zeigen die Grundformen der Traufausbildung.

Mit dem Einzug der Betondecken, flacher Dachneigungen durch Pfettendachkonstruktion und der aus Nordafrika übernommenen Flachdacharchitektur (nur der Cubus ist schön) begann eine Entwicklung, die das Gesicht unserer Heimat negativ beeinflußte.

Die flachen Dachneigungen erzwangen bei der Nutzung des Dachraums den Kniestock, der immer höher ausgeführt wurde. Das Gebäude verlor die Proportionen - zwischen Etage und Giebel; ein nicht mehr zu beseitigender gestalterischer Mangel.

Bauschäden bei undichten Flachdächern, Frostsprünge im Deckungsmaterial, Einwehungen von Regen und Schnee beschleunigten die Rückbesinnung zum steilen Dach, das sich seit Jahrhunderten bewährte.

Nur die falsch ausgeführten Umstände stören erheblich.

Die nachfolgenden Zeichnungen zeigen Ausführungsdetails, die die Konstruktionsformen von früher übernehmen. In den Darstellungen werden vernachlässigt:

  • Dämmung,
  • Zu- und Abluft,
  • Winddichtheit,
  • Wasserdampfdiffusion,
  • Unterdach- bzw. Unterspannbahn,
  • Konterlattung,
  • Lattung,
  • Eindeckung,
  • Dachrinne und Traufblech,
  • Anschlüsse an Öffnungen,
  • Brand- und Schallschutz,
  • Aufnahme der Schubkräfte.

Die Lösung dieser Vorgaben muß der Planer angepaßt an die Eigenheiten eines jeden Gebäudes erarbeiten.

Der Dachabschluß an der Giebelseite trägt zum Erscheinungsbild genauso viel bei wie die Traufe. Besonders auffällig ist dies bei giebelständigen Häuserzeilen an der Straße. Weit herausgezogene Dächer mit sichtbaren Flugsparren, starken Pfettenköpfen und Untersichtschalungen waren früher nicht zu finden (siehe auch unter Baukosten).

Das wahrscheinlich einfachste, aber am schwierigsten zu erfassende Detail ist der Ortgang. Als ästhetisch perfekt gilt der geputzte Ortgang mit einem Ziegelüberstand von ca. 4 cm ab Außenputz. Handwerkliches Unvermögen bei Detailausführungen und Fehler bei der Materialwahl führten zu Schäden im Putz und Dachdeckung.

Diese Machart beim Putzbau ist nur erfahrenen Könnern zu empfehlen.

Die schadenunanfälligste Ausführung ist ein Überstand zwischen 15 und 20 cm. Das genaue Maß wird durch die Deckbreite bestimmt. Bei größeren Überständen würden sich die Dachlatten nach unten biegen.

Das Ortgangbrett wird von unten, das Windbrett an der Stirnseite geschraubt. Beide verhindern, daß der Windstaudruck die Deckung abhebt. Wird bei einer Biberschwanzdeckung das Windbrett stufenförmig eingesägt, der schuppenartigen Deckung angepaßt, wird dieses Brett „Zahnleiste“ genannt. Technisch einfacher ist die Ausbildung mit verschraubten Ortgangformstücken, die einen sehr guten Schutz bieten. Bleche wurden nur als Notlösung verwendet.

Mehrmals wurde die Ästhetik der Form bei alten Gebäuden angesprochen. In der Vereinfachung der Formensprache liegt auf einem rechteckigen Quader ein dreieckiges Prisma.

Der Übergang beider Formen ist das zu lösende Problem.

Bei steilerem Dach mit großem Überstand liegt der Schnittpunkt in einem dunklen Zwickel, ist nicht offen und nicht sofort erkennbar.

Ein vorhandener Kniestock hebt den Punkt von der Decklinie ab - dies ist ein zusätzlicher optischer Störfaktor.

Verfolgt das Auge die Linie Wand-Dach wird es durch den Überstand stark nach unten abgelenkt. Die harmonische Linie ist gestört

Je steiler der Dachvorsprung wird, desto diffuser das darunter liegende Dreieck - die denkbar schlechteste Gestaltung.

Beim Haus mit flacher Neigung ist der Punkt auch erkennbar. Der Überstand hat seine Begründung, wirkt behäbig und schützt. Doch diese Form gehört ins schneereiche Gebirge.

Beim fränkischen Haus liegt der Schnittpunkt offen und erkennbar, die Traufe markiert diesen Punkt, das Auge wird beim Erfassen der Linie nicht abgelenkt.

Das profilierte Gesims betonte noch mit schmucker Form den markanten Übergang. Hierin liegt das Geheimnis einer guten Gestaltung.