Fassaden - Außenputz, Anstriche

(Günther Hofmann)

Ein Bauwerk ist immer das Produkt vieler Berufszweige, die im günstigsten Fall alle einer Idee dienen. Dimension, Konstruktion, Ausstattung und dem Zweck entsprechende Gestaltung geben Zeugnis von der Bauabsicht und der vorgesehenen Nutzung. Sie zeugen aber auch vom Stilempfinden des Architekten und von dem technischen und gestalterischen Können der am Bau tätigen Handwerker.

Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit prägt unsere Umwelt, beeinflußt die Gesellschaft. Die äußere Erscheinungsform des Bauwerks wird vor allem von der Fassade bestimmt. Sie ist das Aushängeschild, die Erkennungsmarke und die Visitenkarte des Besitzers und des Nutzers. Die Fassade ist vielfach aber auch Blendwerk und Maske - ein Erscheinungsbild, das oft mehr verspricht, als der Innenraum halten kann.

Funktionen

Die Fassade hat aber auch noch andere Funktionen. Sie ist ein wesentlicher Teil des Außenraumes, das Gesicht unserer Baukultur und das offenkundige Geschichtsbuch für den, der es zu lesen versteht.

Sie ist das Spiegelbild von Macht und Reichtum, von Selbstdarstellung, von Kunstwillen, aber auch von Illusionen.

In der Lebensgeschichte des Bauwerks, von der Bauplanung über die Bauverwirklichung bis zur nachträglichen Korrektur kommt dem Maler eine vielfältige Bedeutung zu.

Das Aufgabenfeld umfaßt:

  • Die Vorstellung der Architektur durch geplante Form- und Farbgestaltung;
  • Die optische Betonung der Baukonstruktion durch richtig gesetzte Tonwerte;
  • Die Bereicherung der Fassade durch zusätzliche Detailformen bis zur Architekturgestaltung;
  • Die illusionistische Darstellung mit dem Ziel, die Grenzen zwischen Schein und Wirklichkeit aufzuheben;
  • Den Einsatz putztechnischer Gestaltungsweisen, die als Technik und Struktur zusätzliche optische Aussagen ermöglichen u.a.;

Diese berufsspezifischen Ausdrucksformen wurden Jahrhunderte hindurch teils in hervorragender Weise, teils mit problematischem Ergebnis angewandt. Zeugnisse von Putz- und maltechnischem Fassadenverhältnis verschiedener Stilepochen finden wir auch heute noch.

Erneuerung

Erneuerungsprogramme und andere finanzielle Hilfsmaßnahmen fördern und erleichtern Sanierungsmaßnahmen des Eigentümers an seinem Gebäude. Neben konstruktiven Maßnahmen am Gebäude, Verbesserung der Wärme- und Schalldämpfung sowie Modernisierung der technischen Gebäudeausrüstung stellt die Frage der geeigneten Anstrichstoffe und der richtigen Farbauswahl den Hauseigentümer vor Probleme.

Falsche Putz- und Anstrichsysteme können vielfach Schäden mit entsprechenden Folgekosten verursachen.

Verputz- und Anstriche

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, benötigen bei unseren klimatischen Verhältnissen alle Außenwandflächen eine schützende Putzhaut. Diese ließ sich dadurch herstellen, daß die Wände mit Kalkmörtel verputzt waren. Eine Putzoberfläche muß durch regelmäßige Anstriche gepflegt und erhalten werden, die Verwitterung kann so aufgehalten, der Klimahaushalt in der Wand ausgeglichen und eine Durchfeuchtung durch Schlagregen entgegengewirkt werden. Wichtig ist eine gute Verankerung des Putzes auf dem Untergrund, verbunden mit einer Beseitigung grober Unregelmäßigkeiten in der Wandfläche, insbesondere beim Bruchsteinmauerwerk.

Historischer Kalkmörtel

Der Putz bestand üblicherweise aus reinem Kalkmörtel. Wo vulkanische Erdformationen vorkamen, wurde der dort anstehende Traß oder andere feine Flugaschen zugesetzt, die gute Festigkeit ergaben. Bei uns und in anderen Gegenden hat man auch Ziegelmehl benutzt, um die Mörtelfestigkeit zu erhöhen.

War Kalk nur schwer zu beschaffen oder dem Bauherren zu teuer, wurde auch Lehmputz verwendet. Dem Lehmmörtel wurden Kuhhaare beigemengt, die eine Art Armierung ergaben. Diese weichen Kalkputze mußten häufiger gestrichen und gewartet werden als z. B. der Traßmörtelputz. Sie sind empfindlicher gegen Wettereinflüsse und mechanische Beschädigungen. Neben klimatischen Gründen sind deshalb auch die geologisch bedingten schlechteren Sande und Zuschlagstoffe im Putzmörtel eine Ursache für die Entwicklunggroßer Dachüberstände als Wetterschutz und hoher Werksteinsockel zum Schutz gegen mechanische Beschädigungen.

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein ist Putz stets mit der Kelle frei aufgetragen worden. Dadurch konnte sich beim Kalkputz an der Oberfläche eine feste Sinterhaut bilden, die wasserabweisende Eigenschaften besaß. Außerdem entstand so eine lebendige Oberfläche, die den Unebenheiten des Mauerwerks folgte. Der mit Stahl geglättete Putz und besonders der ebene Putz besitzen diese Eigenschaften nur selten.

Besonders die heutigen Putze sind erheblich mit chemischen Stoffen belastet zusammengestellt, um die vielfältigen verschiedenen Baustoffe, der Maschinengängigkeit und besonders die hydraulischen Putzfunktionen zu gewährleisten. In aller Regel sind die heutigen Zementmörtel und Putze viel zu starr und hart und ergeben Putzschalen, die mit historischen Kalkputzen nur sehr wenig Gemeinsamkeit besitzen.

Anstrichstoffe

Bei der Auswahl der Anstrichsysteme sind die Untergründe zu berücksichtigen, so z. B. das Holz beim Fachwerk, bei den Fenstern und Türen oder verschiedenartigste Mörtel bei den Putzen. Für die Farbauswahl ist neben der stadt- oder ortsbild-typischen Gestaltung gerade bei denkmalgeschützten Häusern der Befund, das heißt die Anstriche aus den vergangenen Epochen, von Bedeutung.

Die Mehrzahl der historischen Gebäude, sowohl Fachwerk- als auch Massivbauten, waren farbig mit deckenden Anstrichen gefaßt. Die Bindmittel der verwendeten Anstrichmaterialien waren Kalk. Leinöl auch tierische oder planzliche Leime. Die Farbigkeit erreichte man durch den Zusatz von Erd-, Mineral- und Pflanzenpigmenten. Diese mußten leicht herstellbar oder leicht beschaffbar sein. So sind auch unterschiedlich farbige Fassaden in verschiedenen Gegenden oder einzelnen Epochen zu erklären. Neben den noch heute herstellbaren und verbreiteten Kalkanstrichsystemenstehen moderne Lasuren und Lacke, Silikonfarben oder Dispersionskombinationen sowie Silikatfarben, die schon seit über 100 Jahren verarbeitet werden, zur Verfügung.

Bevor mit dem Neuanstrich eines Gebäudes begonnen werden kann, ist vieles zu berücksichtigen bzw. zu klären:

Denkmalschutz

  1. Handelt es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude (Kulturdenkmal) oder innerhalb eines Ensembles unter Denkmalschutz, ist die Maßnahme bei der Unteren Denkmalschutzbehörde zu beantragen und über sie mit der Denkmalfachbehörde abzustimmen. Diese kann sowohl Einfluß auf die Auswahl des Anstrichs als auch die Farbauswahl haben. Vor der Genehmigung darf nicht mit der Sanierung begonnen werden.
  2. Sind Maßnahmen an der Gebäudesubstanz selbst erforderlich so z. B. Ausbesserungen am Putz, oder eventuell am Holz bei Fachwerkgebäuden, müssen diese vor Beginn des Anstrichs selbstverständlich abgeschlossen sein. Ansonsten ist eine Schädigung der neuen Außenhaut zu erwarten. Das Anstrichsystem muß passend für den jeweiligen Untergrund ausgewählt bzw. entsprechnend vorbereitet werden.
  3. Vor einem Neuanstrich auf Holz muß der Altanstrich entsprechend vorbereitet bzw. es muß gewährleistet sein, daß er sich mit dem Neunanstrich verträgt.
  4. Eine wesentliche Anforderung an die Beschichtungsstoffe ist ihre Wasserdampf-durchlässigkeit und vieles andere. Neben den bewährten historischen Anstrichen haben sich auf mineralischem Untergrund insbesondere die Silikatfarbe bewährt, auf Holz maßhaltiger Bauteile, z. B. Fenster und Türen, Lasuren und spezielle Kombinationen von Reinacrylat und Alkydharzen. Auf Holz nicht maßhaltiger Bauteile, z. B. bei Fachwerkkonstruktionen bewährten sich besonders neben den historischen Beschichtungssystemen Standölfirnißfarben. Vor dem Anstrich muß überprüft werden, ob eine Behandlung mit einem Holzschutzmittel durchgeführt werden muß. Die Entwicklung von umweltfreundlichen Anstrichsystemen ist jedoch nicht abgeschlossen und es sind und werden weitere Produkte entwickelt, die sowohl den Ansprüchen der Denkmalpflege als auch der Bauökologie, wie der zweckmäßigen und gestalterischen Funktion gerecht werden.

Sachwertschutz

Bei der mit einem Neuanstrich verbundenen Gerüststellung sollte überprüft werden, ob eventuell weitere Schutzmaßnahmen wie Dachreparaturen, Wärmeschutz oder Fensterreparaturen mit einbezogen werden können. Eine möglichst umfassende Sanierung und ein für die Baupflege und den eigenen Ansprüchen gerecht werdender Anstrich hebt die Wohnqualität, steigert den Wohnwert und den Sachwertschutz.

Historische Oberflächen erhalten

Historische Putze oder Farbfassungen erzählen greifbar etwas über das Architekturverständnis vergangener Zeiten. Ziel der Denkmalpflege ist es daher, das ursprüngliche Gestaltungskonzept zu erforschen, zu dokumentieren und zu erhalten. Kirchenmaler, Restauratoren, Bauforscher und Architekten führen entsprechende Voruntersuchungen durch. Auch wenn nur noch geringe Reste alter Oberflächen am Gebäudevorhanden sind, läßt sich durch eine Befunduntersuchung meistens noch feststellen, wie das Baudenkmal ursprünglich gestaltet war und wie spätere Zeiten das Gebäude interpretiert haben, als lebendige Geschichtsquelle.